Ein Tag im schwedischen Gesundheitssystem

Ein Tag im schwedischen Gesundheitssystem

Gestern hatten wir einen entspannten Tag am Strand geplant, mit Besuch des Strassenmarktes in Öjebyn.

Aber diese Pläne wurden jäh durchkreuzt als Thorben gegen 8.30 Uhr bei uns im Schlafzimmer stand und fragte ob wir ihn mal in die Notaufnahme fahren könnten er hat wieder die Schmerzen wie letztes Jahr.

Von Tiefschlaf (ja, ich war heute tatsächlich mal nicht schon 6 Uhr munter) in hellwach in nur wenigen Sekunden. Denn wir wussten ja vom letzten Mal das damit nicht zu spassen ist und das es schlimm ausgehen kann wenn man nichts unternimmt. Also rein in die Klamotten, noch versucht die 1177 anzurufen was man eigentlich machen soll bevor man losfährt aber 30 Minuten Wartezeit am Telefon war mir dann doch zu lang. Der Bereitschaftsarzt machte erst um 11 Uhr auf also ab in die Notaufnahme. 

Als wir dort ankamen stand auf dem gegenueberliegenden Parkplatz alles voller Wohnmobile. Oh nein, stimmt, ganz vergessen, es fanden ja gerade die Piteå Summergames statt, das grösste Fussballturnier unter der Mitternachtssonne und das zweitgrösste Sc hwedens mit 800 Mannschaften aus 15 Ländern. Und tatsächlich, in der Notaufnahme sass schon der ein oder andere Fussballer. 

Aber wir kamen doch verhältnismässig schnell dran. Wir wurden von einer Krankenschwester in Empfang genommen und in ein Behandlungszimmer gefuehrt wo erstmal Fieber gemessen wurde und Urin abgegeben werden sollte. 

Dann ersteinmal eine Weile warten. Dann kam die nächste Krankenschwester, Blut am Finger abzapfen. Dann passierte wieder eine Weile nichts. Dann kam die nächste Schwester und fragte ob Thorben vor dem bevorstehenden Blutziehen aus dem Arm lieber ein Betäubungspflaster haben möchte. Ja wollte er. Also vorsichtshalber ein Pflaster auf jeden Arm, man weiss ja nie ob es beim ersten Versuch klappt. Dann wieder warten. Thorben war dann irgendwann sogar eingeschlafen, hatte er doch in der Nacht nur wenig geschlafen. Dann kam eine Ärztin fuer die Untersuchung. Dann wieder warten.

Bevor allerdings Blut gezogen wurde, sollten wir noch zum Ultraschall. Dabei mussten wir wieder am Wartezimmer vorbei, das war mittlerweile brechend voll, die Leute standen sogar schon davor Schlange. Na bloss gut das wir so zeitig da waren. Also ab zum Ultraschall, dann wieder zurueck in “unser”Zimmer. Wieder kurz warten, dann Blut ziehen. Nun waren offensichtlich alle Untersuchungen abgeschlossen und wir sollten in ein anderes Zimmer umziehen was eher ein Aufenthaltszimmer als ein Behandlungszimmer war. Wieder warten. Dann kam die Ärztin zur Auswertung. Und die hatte es in sich. Zumindest fuer den Verlauf des restlichen Tages. Es konnte nämlich durch den Ultraschall nicht 100 Prozentig ausgeschlossen werden das operiert werden muss. Auch wenn sie immer wieder beotnte das es nur ein kleines Risiko sei so sollten wir doch in die Chirurgische Notaufnahme nach Sunderbyn fahren, sie hätte uns dort schon angekuendigt.

Auch wenn im Prinzip immer mal wieder was passierte und es einem gar nicht so lange vor kam so war es doch mittlerweile schon 12.45 Uhr und Thorben war hungrig. Ich fragte daher ob wir auf dem Weg nach Sunderbyn noch schnell zu Hause ranfahren könnten was essen, Sven stand mit dem Mittagessen schon in den Startlöchern. Dies wurde jedoch verneint denn wenn doch operiert werden muesste, sollte man ja nichts gegessen haben. 

Also ab nach Sunderbyn, wir sind aber trotzdem zu Hause vorbeigefahren und haben Sven abgeholt, der ist nämlich vor Sorge schon im Dreieck gesprungen und wollte gerne mit.

Kurz nach 13.30 Uhr waren wir dann in Sunderbyn. Hier schien alles etwas länger zu dauern und wir mussten erst eine ganze Zeit im Wartezimmer sitzen. Dann wurde Thorben aufgerufen, ich entschied mich, nicht mit reinzugehen, reicht ja wenn einer dabei ist und da dachte ich ja auch noch das es nur kurz untersucht wird und wir dann wieder fahren könne, wie gesagt, es bestand ja nur ein kleines Risiko das operiert werden muss. Das war uebrigens eine dumme Idee. Von wegen nur kurz untersuchen, er war eine gefuehlte Ewigkeit da drin. Sven hat mich zwar immer auf dem laufenden gehalten, es wurd unter anderem nochmal Blut abgenommen, aber da so machtlos und allein im Wartezimmer rumzusitzen war nahezu unerträglich. Und dann teilte mir Sven mit das sie Thorben einen Zugang gelegt hatten. Angeblich nur vorsorglich. Aber das konnte ich nicht glauben, sie werden wohl doch operieren. Das durfte doch nicht wahr sein. Sven fragte dann ob ich mit reinkommen kann, nein durfte ich nicht, nur ein Angehöriger. Na super. Da wollen die mein Kind operieren und ich darf ihn nichteinmal nochmal sehen.

Ich hielt es nicht mehr aus, mein Kind da drin und im Wartezimmer wurde ein Radiosender gespielt der ausschliesslich schwedischsprachige Musik spielte. Ich mag die Sprache ja eigentlich aber heute ging es mir sowas von auf die Nerven, nicht zum Aushalten, ich musste hier raus. Ich beschloss, was essen zu gehen. Lief um das Krankenhaus herum zum Haupteingang, wollte in die Cafeteria gehen. Unterwegs habe ich mir die grössten Vorwuerfe gemacht das ich nicht mit rein bin zur Untersuchung, habe mir schon die schlimmsten Dinge ausgemalt, das irgendwas während der OP passiert und ich mich nichtmal verabschieden konnte. Einfach ganz schlimmes Kopfkino.

Die Cafeteria hat offensichtlich am Wochenende nicht geöffnet. Daneben gab es aber einen kleinen Laden wo ich mir einen Salat zusammenstellte und vor allem was zu trinken kaufte, schliesslich brauchte ich heute nicht noch Migräne.

Als ich dann so draussen sass und meinen  Salat ass hatte Thorben Besuch von der Ärztin und die ueberbrachte dann die Nachricht das operiert werden soll. Sven fragte dann ob wir nicht tauschen wollen, das er rausgeht und ich rein. Oh, das wäre natuerlich super. Also zurueck zur Notaufnahme gewatschelt wo Sven schon wartete. Nun war es fuer ihn Zeit was essen zu fahren während ich in das Zimmer gebracht wurde wo Thorben dann auf die OP warten sollte. Er war nämlich gerade duschen. Aber irgendwann kam dann plötzlich die Schwester und holte das Bett, der OP hatte schon angerufen, Thorben war dran. Man hatte ihn schon gebeten jetzt mal fertig zu werden mit dem duschen. So holten wir Thorben aus der Dusche ab und es ging direkt auf die OP Etage. Hier ging dann alles ganz schnell, ich musste so Zeug anziehen damit ich mit rein kann und dann ging es auch schon los. Irgendwie dachte ich ja das es vor einer Operation mal so ein Aufklärungsgespräch gibt ueber die Risiken und was eigentlich gemacht wird aber nein, sowas gab es gar nicht.

Im OP Saal wurde Thobbe dann vorbereitet und ich durfte solange dabei sein bis er in Narkose versetzt war und tief und fest schlieff. Dann brachte man mich raus in ein so Familienzimmer wo Angehörige halt warten können. Ich fragte ob Sven nicht zumindest hierher kommen kann, das lag ausserhalb des OP Bereichs da sollte es doch kein Problem darstellen. War es auch nicht und als Sven dann kam haben wir uns in dieses Zimmer gesetzt und gewartet. Die OP sollte wohl ca. 20 Minuten dauern. Und wir warteten und warteten, nach einer Stunde redet man sich noch ein, das es vielleicht nicht gleich losging oder das es halt etwas länger dauert, nach 1,5 Stunden steigt schon langsam Panik in einem hoch, warum dauert das so lange, warum sagt niemand was, nach 2h wanderten wir dann nur noch unruhig vor den Fahrstuehlen hin und her. Bis endlich hinter der Glastuer das Bett mit dem schlafenden Thorben vorbeigeschoben wurde. 

Nochmal kurz warten dann durften wir zu ihm. Ja und dann hiess es wieder warten. Die Schwestern im Aufwachraum konnten jetzt auch nicht soviel sagen ausser das alles gut verlaufen ist und es keine Komplikationen gab. und das es jetzt ne ganze Weile dauern wuerde bis er aufwacht. Also sassen wir eine gefuehlte Ewigkeit an seinem Bett und warteten das er munter werden wuerde. 

Gegen 20 Uhr war er dann im Prinzip wach und nun sollten wir nur noch auf den Chirurgen warten der uns alles erklären sollte und Thorben entlassen sollte. Der kam aber nicht, hatte wohl im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun. Die Schwester hat zweimal angerufen das er kommen sollte aber es dauerte bis ca. 22.30 Uhr bis er endlich auftauchte. Also da waren wir wirklich an der Grenze der Belastbarkeit. Das Mittagessen war ja nun auch schon wieder ne halbe Ewigkeit her und der arme Thorben hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Ich fragte dann mal nach ob es denn irgendwas essbares im Haus gab fuer das Kind und sofort kam man mit so belegten Broten und Getränken. Na wenigstens bekam er nun endlich mal was in den Magen.

Ja und wie gesagt gegen 22.30 Uhr kam dann endlich der Chirurg. Aber das war nicht der der Thorben operiert hatte, der war wohl inzwischen längst nach Hause gegangen. Es war seine Ablösung sozusagen und der musste erstmal in die Unterlagen schauen was da so gemacht wurde. Naja, war ehrlich gesagt etwas sinnlos, er wusste im Prinzip nichts bzw. nicht mehr als wir eh schon wussten. Das hatte sich ja mal gar nicht gelohnt so lange auf ihn zu warten. Dummerweise war er es aber auch der Thorben entlassen musste, vorher durften wir ja nicht gehen.

Nun endlich konnten wir uns auf den Heimweg machen. Mittlerweile war es so spät das wir Thorben nichtmal mehr den versprochenen Hamburger kaufen konnte, die Hamburgerbude hatte 22 Uhr geschlossen, ebenso die Apotheke wo wir eigentlich hätten noch Antibiotika holen muessen. Und da finde ich schon das die Apotheke sehr grosszuegige Öffnungszeiten hat, Samstags bis 22 Uhr ist schon toll.

Gegen 23.15 Uhr waren wir dann endlich zu Hause wo Sven noch die Fischstäbchen zubereitete die schon seit Mittag bereit standen, konnte da ja noch keiner ahnen was uns bevor stehen wuerde. Es war ein unheimlich langer und anstrengender Tag und besonders am Ende war man das ewige Warten einfach nur noch leid. Trotz allem muss ich sagen 14,5h vom zu Hause losfahren bis wieder zu Hause ankommen inkl. aller Untersuchungen und Proben und sogar einer Operation ist doch jetzt gar nicht so schlecht. Aber auf eine Wiederholung können wir dann doch verzichten.

Heute frueh bin ich dann gleich erstmal wieder nach Luleå in die Apotheke gefahren um das Antibiotikum zu holen.

Und nach dem Fruehstueck haben Sven und ich den Tag am Strand nachgeholt, naja, zumindest waren wir eine Weile dort bis die Sonne hinter den Wolken verschwand und es auch nicht so aussah das sie bald wiederkommt. Mit 20 Grad war es im Schatten nicht so super warm das man jetzt unbedingt noch länger da bleiben wollte und das Wasser war ja ueberhaupt viiiiiel zu kalt zum Baden.

Danach sind wir noch zum Markt in Öjebyn gefahren. Kirchenmarkt heisst der, hat aber nichts damit zu tun das er von der Kirche veranstaltet wird sondern das hat mit dem Veranstaltungsort zu tun, dem Kirchendorf in Öjebyn. Viel gibts von hier nicht zu berichten, es gab halt das uebliche, Klamotten, Brot, Suessigkeiten, Donuts, Käse, Wurst, Marmeladen und so Zeugs zu zum Grossteil ziemlich uebertriebenen Preisen aber wir assen zumindest zu Mittag und nahmen Thorben dann auch noch was zu Essen mit heim.

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